Kommt gut in die nächste Woche und feiert weiter den Pride Month!
Alles Liebe, RJ
Geheimnisse – Kapitel 2, Teil 1
Unser nächstes Spiel gegen Carlisle Rush war für uns ein Auswärtsspiel und dieses Mal hatten wir einen großen Nachteil. Drei Tore gegen uns und wieder einmal verfolgte der stille, schweigsame, konzentrierte Avery meine Schritte. Er sah diesen Abend anders aus in seiner Heimspieluniform: dunkler, fast schon furchterregend und größer. Er schlug mich hart in die Ecke, als wir darum kämpften, einen Puck frei zu bekommen, aber ich konnte damit umgehen; den Kopf erhoben, steckte ich den Schubs ein und schaffte es trotzdem, den Puck frei zu bekommen, ihn hinüber zu Rusty zu bewegen. Das Spiel endete drei zu eins für Rush und das auffallendste war, dass Avery mich nicht ein einziges Mal dumm angeredet hatte. Er war eher sehr professionell, technisch effizient und konzentriert.
Ich vermisste die dummen Sprüche.
Ich erwartete, dass er irgendwo auf mich wartete, oder besser gesagt, hoffte es eigentlich. Ich wollte für den Mann ein Gefühl bekommen, aber er war nirgends zu finden. Ein Teil von mir wollte direkt vor dem Stadion von Rush stehen und fragen, wo er war, ihn aufspüren und das ungeklärte Gefühl durchsprechen, das mich nach dem Spiel erfasst hatte.
Drei Wochen vor Weihnachten spielten wir wieder gegen sie, in unserem Stadion, und gewannen. Wir waren immer noch an der Spitze der Tabelle, obwohl Rush ein paar Erfolge gegen andere Teams gehabt hatte und langsam, aber sicher die Platzierungen hochrutschte. Im zweiten Spiel in Folge fehlten die dummen Sprüche und ich war nicht der Einzige, dem das auffiel, weil Rusty einen sehr dramatischen, finsteren Blick in meine Richtung warf.
Ich war heute Abend gerade wütend genug, um von Lester zu verlangen, mit der Sprache herauszurücken, was er verdammt nochmal sagen wollte, damit wir reinen Tisch machen und das hinter uns lassen konnten.
„Alles in Ordnung?“, fragte Rusty und stieß mir seinen Ellbogen in die Seite. Wir hatten ein paar Autogramme gegeben und waren auf dem Parkplatz, sahen dem Bus des gegnerischen Teams dabei zu, wie er vom Stadion wegfuhr.
„Ja, warum?“
„Du siehst nachdenklich aus.“
Ich warf ihm einen seitlichen Blick zu. „Weißt du überhaupt, was das bedeutet?“
„Arschloch“, murmelte er.
„Es ist alles in Ordnung.“
Wir schlugen unsere Fäuste gegeneinander und sein Auto war näher, so dass ich die restlichen zehn Meter oder so zu meinem Auto in der Ecke allein gehen musste.
„Können wir irgendwohin etwas trinken gehen?“ Wieder erklang eine sanfte Stimme aus den Schatten und etwas in mir entbrannte zum Leben. Gleiche Teile Überraschung, Verärgerung und Lust. Er stellte die Frage so leise, dass ich mich anstrengen musste, ihn zu verstehen.
„Irgendwo?“, sagte ich, als ich näher zu Avery Lester trat, der in seinen Mantel vergraben war. „In Colchester?“
„Ja.“
„Wo mich zumindest die Fans kennen, die den Colts folgen?“
„Ja.“
„Ich bin nicht Sidney Crosby, aber mich kennen ein paar Leute, okay; ist dir das bewusst?“
Er verbarg sich noch tiefer in seinem Mantel und zuckte mit den Schultern. „Alles was sie sehen werden, sind wir beide, wie wir etwas trinken.“
„Sie werden wütend darüber sein, dass ich mit einem Mitglied eines gegnerischen Teams Umgang habe“, sagte ich.
„Oh.“ Er trat zurück.
„Du musst noch einiges lernen“, meinte ich und öffnete das Auto. „Steig ein“, sagte ich, und er zögerte nicht. Anfang Dezember war es in Vermont arschkalt. „Du kannst mit zu mir kommen, wenn du möchtest“, bot ich an.
Er schreckte sichtbar gegen die Tür zurück. In dem Moment wusste ich, dass Avery in Panik geriet. Wenn er auch nur im Geringsten wie ich war, wusste er nicht, wem er trauen sollte oder ob eine Person sein Geheimnis hüten würde, und Junge, was das für ein Geheimnis war. Dann schüttelte er es anscheinend ab und entspannte sich ein bisschen; er starrte mich immer noch an, als wollte er meine Gedanken lesen, sich fragend, ob er sich sicher sein konnte, mir zu vertrauen.
„Nur, um zu reden“, begann ich.
„Ich weiß, dass du nichts anderes willst“, unterbrach er mich, bevor ich irgendetwas anderes sagen konnte. „Ich bin nicht dumm, ich verstehe, warum du nicht…“ Er deutete auf sich.
Falls er andeutete, dass ich nicht an ihm hochklettern würde wie an einem verdammten Baum, dann lag er schmerzlich falsch, aber ich musste die Erektion, die meine Jeans füllte, ignorieren und der Freund und Fürsprecher sein, den Avery offensichtlich brauchte.
Ich erklärte absichtlich nicht, wie angezogen ich von ihm war, oder dass, da der Samen eines möglichen Aufrisses gesät worden war, es zu etwas Neuem herangewachsen war. Der Gedanke, dass er möglicherweise auf dem Markt war, wurde zu mehr, ein Verlangen, das ich gut versteckt hielt: Begehren. Ich wollte ihn schmecken. Nur ein Kuss wäre genug, denn ich war davon überzeugt, dass er etwas Aggressives oder Dummes machen würde und ich würde mich daran erinnern, dass er derselbe arrogante Verteidiger war, mit dem ich auf dem Eis gerangelt hatte.
Dieser einzelne Gedanke reichte aus, um die Fantasie zu stoppen, die ich in meinem Kopf durchging, die Gleitgel, Kondome und die ganze Nacht wachbleiben beinhaltete. Seht ihr, ich hatte dem, was auch immer das war, bereits einen Start- und Endpunkt gegeben und so funktionierte mein Sexleben. Wie auch immer, er war vier Jahre jünger als ich, nur ein Kleinkind mit zweiundzwanzig, hatte wahrscheinlich immer noch Angst davor, dass es sich das Team anders überlegte und ihm sagte, er wäre nicht gut genug, immer noch im Aufbauteam und kämpfte um einen Platz in der NHL.
„Du kannst mir vertrauen, dein Geheimnis nicht zu verraten“, sagte ich.
Meine vier Jahre mehr gaben mir Durchblick. Ich hatte mich damit abgefunden, dass es eines Tages möglich war, dass ich zu den Dragons oder irgendeinem anderen NHL-Team berufen wurde, aber fürs Erste war das Aufbauteam das, wo ich reinpasste. Auf eine Art war die AHL sicherer für mich.
Ich hatte genug Aufrisse, um zu verhindern, dass mein Sexleben komplett zu einem Nichts verkümmerte und bis jetzt hatte mich noch niemand geoutet.
Also war ich Avery ein paar Schritte voraus und ich vermutete, ich konnte ihm meine Zeit und Erfahrung zugutekommen lassen. Reden konnte ich.
„Ich hasse mein Geheimnis“, murmelte Avery.
Ahhh, also das war es. Er wollte einen Schwanz, es aber geheim halten? Vielleicht war er einer von der religiösen Sorte, der beschlossen hatte, dass seine Sexualität eine Sünde war.
„Wie auch immer, es ist dein Geheimnis und ich würde es mit niemandem teilen.“
„Danke“, war alles, was er antwortete. „Ich würde niemals… ich meine… du kannst mir auch vertrauen.“
Ich fuhr aus dem Parkplatz heraus, an der Stelle vorbei, an der der Bus von Rush geparkt hatte. „Was hast du deinem Team gesagt, warum du hierbleibst?“
„Ich habe eine Cousine, sie lebt kurz vor Colchester. Ich habe ihnen gesagt, dass ich sie beim nächsten Lauf sehe und dass ich bei ihr bleibe. Nicht, dass ich erwarte, bei dir zu bleiben, oder, zur Hölle, was auch immer, ich nehme mir ein Hotelzimmer.“
Zurück war die Unsicherheit, das Neue an allem und ich griff hinüber und tätschelte seinen Arm, nicht sein Knie oder seinen Oberschenkel, nur seinen Arm. „Entspann dich“, sagte ich. „Wir werden nur reden.“
Und ich wusste, er versuchte, sich zu entspannen, aber es funktionierte nicht; er zappelte herum und murmelte und starrte auf die vorbeiziehende Landschaft.
„Was ist, wenn ich mehr will als reden?“, fragte er plötzlich.
„Was ist, wenn wir nicht zusammenpassen, außer beim Reden?“
Das brachte ihn dazu, für den Rest der kurzen Fahrt den Mund zu halten.
Ich wohnte nur fünfzehn Minuten vom Stadion entfernt, in einer Gruppe Zwei-Zimmer-Appartements, die nicht viel Aussicht boten – hauptsächlich Straße. Man verdiente keine Millionen in dieser Liga, aber ich hatte Ersparnisse und es war eine Karriere, für die ich in jedem Spiel kämpfte.
„Nette Gegend“, bemerkte er, als wir parkten.
„Ruhig“, sagte ich und schloss das Auto hinter uns ab. „Hier entlang.“
Ich führte ihn hinauf in die hintere Ecke des zweiten Stocks und schloss die Tür auf. Ich war nicht der ordentlichste Mann, aber ich hatte eine Reinigungsfirma, die einmal in der Woche kam und akkurate Haufen machte aus was auch immer ich herumliegen ließ. Gestern war der Tag der wöchentlichen Reinigung gewesen und die Wohnung roch immer noch frisch und nicht im Geringsten wie das Innere einer Trainingstasche. Ich zog meinen Mantel aus, machte die Lichter an, zog die Vorhänge zu und ging in die kleine Küche, um den Füllstand des Bieres in meinem Kühlschrank abzuschätzen. Es war traurig; ein Bud Light stand neben ein paar Dosen Sprite.
„Kaffee?“, fragte ich, als Avery mir in die Küche folgte. Er sah so verdammt groß aus, füllte den kompletten Bogengang vom vorderen Raum, aber ich starrte ihn nicht an. Als der Kaffee durchlief, glitt ich aus meiner Jacke und löste meine Krawatte und bemerkte, dass er mich beobachtete, als ich mich bewegte. Wenn ein anderer schwuler Mann in meiner Wohnung gewesen wäre, hätte ich die Jacke um einiges langsamer ausgezogen, ihn reizend, dazu geflirtet, aber ich bemerkte zwei Dinge an Avery Lester. Das Erste war, dass er in mein Gesicht starrte und nicht auf irgendeinen Teil meines Körpers, und zweitens, sein Gesichtsausdruck und seine Körperhaltung schrien förmlich heraus, dass er es nicht brauchte, dass ich strippte, um erregt zu sein.
Vielleicht war das meine Aufgabe im Leben, dem Neuling zu zeigen, wie es ging und nicht seine Karriere zu versauen.
Wie wäre es, wenn ich einfach in seinen Bereich trete und ihm ein bisschen Einzelzuwendung gebe, sagte mein Schwanz; zumindest meine Libido bestand darauf, dass das eine gute Idee war. Mein Kopf andererseits stellte sich vor, wie wir auf meinem riesigen Sofa saßen und vernünftig über die Ligen sprachen und ob sie bereit dafür waren, dass Spieler sich outeten.
Konnten Umkleiden, die den Gebrauch von jeder homophoben und Geschlechter betreffenden Beleidigung regelrecht willkommen hießen, wirklich dazu bereit sein, eine neue Dynamik anzunehmen? War es sicherer, in den unteren Ligen zu bleiben, auch wenn man die Chance hatte, groß rauszukommen?
„Worüber denkst du nach?“, fragte Avery in diesem sanften, nicht-im-geringsten-
Ich sagte nicht, dass wir abseits vom Eis alle Kätzchen waren; das waren wir nicht. Man konnte nicht konzentriert und aggressiv auf dem Eis sein und das dann abschalten, sobald die Schlittschuhe die Gummimatten berührten. Ich war nicht dumm. Avery war ein guter Verteidiger und er hatte bereits einen Zwei-Wege-Vertrag mit den Railers, die ihn einberufen hatten. Er musste seine Ecken und Kanten behalten, wenn er mehr wollte vom Eishockey. Also fing ich an, auf eine ruhige, kontrollierte Art.
„Ich denke, es ist viel einfacher, hetero zu sein und nicht seine Zeit damit zu verbringen, darüber in Panik zu geraten, ob ein anderer Mann ein Geheimnis für sich behalten kann.“
Avery nickte. Das tat er oft: nicken, den weisen Worten zustimmend, die ich ausbreitete, als wären sie ein Evangelium. Ich hatte Einfluss auf die Dynamik zwischen uns und ich wusste, wie leicht es wäre, das auszunutzen. Er brauchte mich als einen Freund, einen Vertrauten und um von meiner Erfahrung zu zehren.
Aber wie ich bereits sagte, etwas hatte sich zwischen den letzten beiden Spielen zwischen uns verändert.
Etwas Verzweifeltes und Drängendes.
Ich hatte zu viel Zeit damit verbracht, über Dinge nachzudenken, über die ich nicht nachdenken sollte: Sex mit Avery. Und nicht nur Sex, sondern ein Date, bei dem wir uns liebten und danach kuschelten. Und im Zentrum von all dem wollte ich Avery unter mir haben, über mir, dass er mir zeigte, wozu er imstande war, mich dazu brachte, so oft zu kommen, dass ich meinen eigenen Namen vergaß. Offensichtlich steuerte ich entweder auf einen Nervenzusammenbruch zu, oder sechsundzwanzig war das Alter, in dem jeder ungebundene schwule Eishockeyspieler zusah, dass er sich in einer Beziehung niederließ.
Eine gefährliche, sexy, mit Lust gefüllte, kuschelige Kurzzeitbeziehung.
Eine Verbindung mit Grenzen ergab Sinn. Warum sollte man das Jucken mit einem Fremden kratzen, wenn man etwas Regelmäßiges mit einem Mann haben konnte, der wusste, was Sache ist? Die Idee von mir und Avery zusammen war eine vernünftige Lösung für das vorliegende Problem. Dennoch sollte ich erst die Grenzen und die Probleme erklären und erwachsen mit dem Ganzen umgehen.
Ich öffnete sogar meinen Mund, um all das zu sagen, um locker, aber ernst zu sein. Er bewegte sich verdammt schnell für so einen großen Mann, drückte mich ungeschickt gegen die Theke und stahl einen hitzigen, harten, unkoordinierten, unordentlichen, schlampigen Kuss. Seine Hände waren überall auf mir, seine Zunge suchend. Sein Geschmack war berauschend und als er mich hochhob und auf die Theke warf, so dass ich mit gespreizten Beinen dasaß, konnte ich spüren, dass er hart war.
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